Unschöne Museen
Ayo Akingbade, Debasish Borah, Ivan Cheng, Sara Deraedt, Louis Eilshemius, Ella Eßlinger & Fabienne Girsberger, Andrea Fraser, Hans Haacke, Paula Heredia & Coco Fusco & Daisy Wright, Onyeka Igwe, Ilya Lipkin, Lea Lublin, OMA, P.A.I.N, Société Anonyme, Maud Sulter, Chris E. Vargas, ZG Magazine
gta Archivmaterial von Jørn Utzon, van den Broek & Bakema, Pierre Zoelly, und anderen
Beiträge von Deborah Cherry & Jennifer DeVere Brody, Bruce Hainley, Charlotte Matter, Jennifer Tyburczy
Screenings, Vorträge und Gespräche von und mit Julia Bryan Wilson & Chris E. Vargas, Bill Gunn, und anderen
1. März – 19. Mai 2023
Eröffnung: Dienstag, 28. Februar 2023, 18 Uhr
Einführung von Philip Ursprung, Anna Puigjaner, Geraldine Tedder, Fredi Fischli und Niels Olsen
2. Mai, 12:30 Uhr: Vortrag von Debasish Borah & Filmvorführung von Ayo Akingbade
16. Mai, 18:30 Uhr: Gespräch zwischen Julia Bryan-Wilson & Chris Vargas
Das Museum – als Institution, Handlungsträger und Subjekt – ist Austragungsort kritischer Debatten über die Historisierung von Objekten. Wohl kein anderes Gebäude vermag es den Wert seiner behausten Objekte allein durch seine Bezeichnung als Museum so effektiv zu steigern. Dieser Wert wird in einem Prozess der Wissensproduktion erfasst, der eng mit den Mechanismen lokaler, nationaler und internationaler Beziehungen verzahnt ist. Das Museum ist auch politischer Handlungsträger, oder zumindest ein Spiegel politischer Entscheidungen, eine Repräsentation von Autorität, die auf Geschichte und Geschichtsschreibung wirkt.
Nach seiner jahrzehntelangen Blütezeit – eine Zeit ständiger Expansion und immer spektakuläreren Begegnungen mit der Kunst als Konsumform –, erleben wir heute Tendenzen zu einer weitreichenden Revision des Museums. Spätestens seit den Interventionen der Institutionskritik ist das Museum nicht mehr nur Ort von Schönheit und Spektakel, sondern vor allem ein Problemkontext, der nach „repair“ verlangt. Noch bis vor kurzem haben Kunst- und Architekturwelt die Versprechen des Museums der Zukunft verkündet und verteidigt, doch nun steht das Museum erneut auf dem Prüfstand. Verstanden als ein Ort des Verfalls, an dem Objekte verweilen, um zu sterben, als künstliche Hölle, als Maschine oder Monster, wird die Funktion des Museums – Objekte zu verwahren und zu verwalten – nun erneut einer breiten Kritik unterzogen. Das Museum ist noch immer ein Ort der Klassifizierung und damit ein Ort der Exklusion und oft undurchsichtiger struktureller Abhängigkeitsverhältnisse zwischen der Institution und ihren Akteuren. Das Museum hat sich als ein Ort der Gewalt erwiesen, dessen Architektur und institutionelle Struktur gesellschaftliche Ungleichheiten verstärken. „Wir bedauern aufrichtig jegliche Unannehmlichkeiten [...] aber es ist die einzige verantwortungsvolle Haltung, die wir einnehmen können.“
Die Ausstellung greift Bénédicte Savoys Konzept des „unschönen Museums“ auf und präsentiert eine Reihe von Werken, welche die Verkehrung des Museums vom Ort des Schönen zum Ort des Unschönen verdeutlichen und zugleich die Tarnung des Museums aufheben. Dabei beziehen sich viele der Arbeiten auf ein bestimmtes Museum: Onyeka Igwes Arbeiten a so-called archive (2020) und Museum Gift Shop Postcards (2023) thematisieren das Pitt Rivers Museum in Oxford, das ehemalige Museum of British Empire and Commonwealth in Bristol und der ehemaligen Nigerian Film Unit; Maud Sulters MUSEUM (1990) entstand als Reaktion auf ein orientalistisches Gemälde von John Collier, das nach Konservierungsarbeiten ins Oldham Museum zurückkehrte, und Ilya Lipkins Prodromes (2019) – eine Serie von Hochglanzfotografien im Stil von Modezeitschriften, die im neu eröffneten Museum of Modern Art in New York aufgenommen wurden – ahmen die Branding- und Spektakularisierungstricks des Museums nach. Andere Werke schlagen ihre eigene Definition des Museums vor, so etwa Chris E. Vargas fortlaufendes Projekt The Museum of Transgender Hirstory & Art (MOTHA), das die Idee einer visuellen Repräsentation des Lebens von Transpersonen kritisch reflektiert. Das ausgewählte Material aus den gta Archiven wirft Fragen auf, die an das Kunsthaus Zürich gerichtet sind – jenes Museum, das den Anstoss zu dieser Ausstellung gab.
Die präsentierten Arbeiten adressieren die Architektur/en des Museums, indem sie es mit dem besetzen, was dort nicht hingehören zu scheint, oder indem sie das Museum lächerlich, albtraumhaft oder überkommen aussehen lassen. Zugleich imaginieren sie neue Formen von Geschichtlichkeit und Kunsterfahrung, die der kolonialen Wunderkammer und der kapitalistischen Logik der Blockbusterausstellung entgegenstehen. Unschöne Museen ist zugleich ein Akt des Trauerns und des Warnens, eine melancholische Bestandsaufnahme einer sich im Umbruch befindlichen Institution, die ihre alte Form zu verlieren scheint. Die Ausstellung versammelt Bilder und Narrative, die die Abhängigkeitsverhältnisse des Museums aufzeigen und über seine bevorstehende Neudefinition spekulieren. Zugleich lassen die Arbeiten keinen Zweifel über die Komplexität einer solchen Revision. Denn angesichts der ernüchternden Erkenntnis, dass es keine objektiven Massstäbe für die Entwürfe neuer Museumsmodelle gibt, sind wir mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert, vor die uns die zahlreichen Fassaden und Facetten des Museums stellen.
Die Ausstellung ist kuratiert von Fredi Fischli, Niels Olsen und Geraldine Tedder.
Fotos: Nelly Rodriguez