
Built from Dust
Earth, Soil and the Modern Afropolis
26. Februar – 9. Mai 2025
Eröffnung: 25. Februar, 17 – 20 Uhr
10 – 16 Uhr Kolloquium Engaging with Modern Afropoli (weitere Informationen unten)
Kunstwerke von Younes Ben Slimane, M'barek Bouhchichi, Lungiswa Gqunta, David Grandorge, El Mahdi Meslil und Alexander Cyrus Poulikakos
Beiträge von Tom Avermaete, Kenny Cupers, Madeleine de Colnet, Lahbib El Moumni, Sara Frikech, Hannah le Roux, Morad Montazami, Salima Naji, Nadya Rouizem Labied, Alexander Cyrus Poulikakos, Giulia Scotto, Ola Uduku und Maxime Zaugg
Am 29. Februar 1960 verwüstete ein katastrophales Erdbeben die marokkanische Küstenstadt Agadir, zerstörte sie fast vollständig und forderte ein Drittel der Bevölkerung als Opfer. Die Welt war schockiert, und internationale Hilfe strömte rasch herbei. Nach einer bewegenden Rede von König Mohammed V. wurde der Wiederaufbau Agadirs zu einem Projekt globaler Solidarität. Ein neues, beispielloses städtebauliches Konzept entstand, das es zahlreichen Architekten – sowohl nationalen als auch internationalen – ermöglichte, gleichzeitig an der Neugestaltung der Stadt zu arbeiten.
Das Ergebnis dieser gemeinsamen Anstrengung war beeindruckend. In kürzester Zeit erhob sich das neue Agadir aus den Trümmern. Marokkanische und internationale Architekten experimentierten mit neuen Wohnformen, die zwischen ultramodernen und traditionellen Lebensweisen vermittelten. Ergänzt wurden diese durch innovative öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Gesundheitszentren und Kinos. Der Wiederaufbau Agadirs wurde zu einem Sinnbild der Ambitionen, Potenziale und Kapazitäten Marokkos nach der Unabhängigkeit. All dies führte zu einer originellen urbanen Realität: einer neuen afrikanischen Stadt, einer modernen Afropolis. Im Zuge des Nationenaufbaus und der Neugestaltung der Welt entstanden in vielen afrikanischen Ländern nach der Unabhängigkeit moderne Städte – Agadir war keine Ausnahme.
Die Herangehensweisen von Architekten und Stadtplanern an diese vielfältigen urbanen Bedingungen, die Auswirkungen dieser Stadtentwicklungsprojekte auf lokale Gebiete und die Strategien der Bewohnerinnen und Bewohner zur Aneignung dieser Räume stehen im Mittelpunkt neuer Forschungen. Ausgehend von der marokkanischen Stadt Agadir – einem einzigartigen Beispiel für moderne Architektur und Stadtplanung – versammelt diese Ausstellung die Forschungen einer neuen Generation von Wissenschaftler:innen und Künstler:innen, die sich mit der Afropolis des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen.
Die Ausstellung Built from Dust – Earth, Soil and the Modern Afropolis dient als Forum, um die Möglichkeiten und Herausforderungen der Afropolis zu diskutieren. Sie reflektiert nicht nur die oft unerzählte Geschichte dieser afrikanischen Städte, sondern hält auch einen Spiegel vor die komplexen und häufig umkämpften urbanen Realitäten, die sie hervorgebracht haben.
Wissenschaftler:innen und Künstler:innen, die sich mit afrikanischen Städten wie Casablanca, Algier, Addis Abeba, Kinshasa und Accra beschäftigen, werden untersuchen, wie die Urbanisierung in Afrika – durch den Kolonialismus im 19. Jahrhundert angestossen und im 20. Jahrhundert durch Industrialisierung und Modernisierung beschleunigt – zur Entstehung grosser urbaner Zentren in einer dekolonialisierenden Welt geführt hat. Die Ausstellung hinterfragt die Vorstellung, dass Urbanisierung und Stadtplanung ausschliesslich westliche Konzepte seien, und hebt die zentrale Rolle von Städten wie Agadir hervor, um zeitgenössische Geschichtsschreibungen der Architektur und Urbanistik zu dezentrieren.
Kuratorisches Statement von Zamân Books & Curating
Younes Ben Slimane, All Come From Dust, 2019
M’Barek Bouhchichi, Terra, 2024
Lungiswa Gqunta, Assemble the Disappearing, Site Unseen, 2025
Durch ihre multimedialen Werke und Installationen regen die zeitgenössischen Gastkünstler:innen mit marokkanischen, tunesischen und südafrikanischen Hintergründen einen tiefgründigen Dialog über die Archivlandschaft der Ausstellung Built From Dust und das Konzept der modernen Afropolis an. Kann die Stadt gleichzeitig modern und ursprünglich sein, in der Vergangenheit und Gegenwart verwurzelt? Kann sie ausserdem eine nachhaltige Stadt im Sinne einer Architektur des Gemeinwohls und des geteilten Raums sein? Wie können zeitgenössische Kunstpraktiken zur konzeptionellen Flexibilität der modernen Afropolis beitragen und sie zu einem Austauschort machen, um die Universalität und Funktionalität der modernen Architektur auf dem afrikanischen Kontinent zu überdenken?
Die beteiligten Künstler:innen haben alle ein besonderes Interesse daran, die Modelle und Symbole der modernistischen und postkolonialen Architektur aus einer neuen ökologischen Perspektive zu überdenken. Sie haben eine Plattform geschaffen, um umstrittene Räume einer abgeleiteten, aber immer noch kolonialen Moderne wiederzubeleben und lokale architektonische Technologien zu erforschen, die oft mit Holz, Erde, natürlichen Böden und Fasern verbunden sind. Diese Räume erweitern die modernistische industrialisierte Landschaft durch alte Oasen, Zitadellen, Dachböden und Öfen.
Während ökologische Auswirkungen und Implikationen eindeutig von Bedeutung sind, sollte die Allgegenwart und der überwältigende Einsatz von Beton in den Hauptstädten des Globalen Südens und Afrikas nicht nur in Bezug auf Vor- und Nachteile betrachtet werden. Letztlich wird die modernistische Ästhetik in einen Dialog mit alter und sogar heiliger Architektur treten, während ökologische und resiliente Architektur aus Erde und Steinen immer noch Beton als Teil eines hybriden und nachhaltigen Gemischs integrieren kann.
Die ausgestellten Werke präsentieren “earth architecture“, Erdenarchitektur, als eine antifragile und resiliente Umweltkunstform, die aus dem Bereich des Volkstümlichen befreit ist und Potenziale für die Zukunft aktiviert. Erde und Boden werden zu Formen des heilenden Wissens, die mit dem Erhalt des Ökosystems verbunden sind. Diese Künstler:innen setzen sich für eine kritische Neubewertung des Erbes der modernistischen Architektur ein. Sie helfen uns, breitere Zusammenlebensstrategien oder -philosophien zwischen Menschen, der Biosphäre und letztlich dem Boden zu suchen.
Younes Ben Slimane, All Come From Dust, 2019
Younes Ben Slimane positioniert seine Kamera in Tozeur im Süden Tunesiens, wo seit alten Zeiten traditionell Ziegel hergestellt werden. In einer nächtlichen Wüstenlandschaft, die bis zum Rand der Sahara reicht, hat das Auge Schwierigkeiten, sich zwischen Asche, Stein, Wind, Wasser und Feuer zurechtzufinden… Eine Freisetzung kosmischer Kräfte initiiert einen alchemistischen Prozess: Lehm verwandelt sich in Ton, gebrannter Ton wird zu Ziegeln, die Ziegel formen einen beeindruckenden handgefertigten Turm. In einem metaphysischen, visuellen Zusammenspiel enthüllt All Come From Dust den Bau eines Ziegelformers durch Gesten des Ausgrabens und schliesslich Heilens. Das Werk wird zu einem Ort der Meditation über die jahrtausendealte Resilienz bestimmter volkstümlicher Architekturen – und eine Hommage an die menschliche Hand.
M’barek Bouhchichi, Terra, 2024
Die Terra-Serie ist eine Fortsetzung von Bouhchichis umfassender Erforschung der längst vergessenen Verbindungen zwischen dem Südosten Marokkos und dem Nordosten Malis, einschliesslich architektonischer und landschaftlicher Muster, die an Amazigh- und Saharalandschaften sowie -völker erinnern. Produziert in Zusammenarbeit mit Gemeinschaften von Weberinnen aus der gleichen Region wie der Künstler, bestehen diese Wandteppiche aus traditionell handgewebtem Wollstoff, der mit Henna gefärbt ist. Der Einsatz von natürlichen Farben und Materialien, im Einklang mit dem Ökosystem der Atlasgebirge, verstärkt die allegorische und abstrakte Landschaft, die scheinbar dargestellt wird. Diese fliessenden und fesselnden Kompositionen, auf Holzrahmen montiert wie Gemälde auf Leinwand, treten auch in einen spezifischen Dialog mit modernistischen Formen und Architektur.
Lungiswa Gqunta, Assemble the Disappearing, Site Unseen, 2025
Assemble the Disappearing, Site Unseen ist eine formelle Reihe von Skulpturen von Lungiswa Gqunta, die ihr eigenes multidimensionales und ökologisches Territorium erforscht. Hauptsächlich Holz und Glas verwendend, als Stellvertreter für vernachlässigte, enteignete oder verschwindende Länder und Vegetationen, ist das Werk ein Zeugnis unsichtbarer Formen von Folter und Gewalt, die sowohl Menschen als auch Landschaften auferlegt werden. Koloniale Eroberung und Besetzung entziehen den Menschen nicht nur ihre Rechte, sondern führen auch zu Bodenverschmutzung und Toxizität, parallel zu natürlicher Erosion und der Zerstörung geologischen Lebens – ein weiteres Thema, das von diesen skulpturalen Verkrampfungen und Labyrinthen behandelt wird. Gqunta stützt sich auf Amílcar Cabral’s radikale Vorstellungen von Boden und revolutionärem Kampf und besteht darauf, dass das Land die Fähigkeit hat, Zeugnis von Trauer, Trauma und kolonialer Extraktivität abzulegen.
Kolloquium „Built from Dust: Engaging with Modern Afropoli“
25. Februar, 10:00 – 16:00 Uhr, ETH Zürich, Hönggerberg, gta Ausstellungen
Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Built from Dust treffen Wissenschaftler:innen und Künstler:innen auf die Kurator:innen, um gemeinsam die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschiedener Afropoli kritisch zu diskutieren.
10:00 Uhr – Begrüssung
10:15 Uhr – 13:00 Uhr Präsentationen und Diskussionen mit Nadya Rouizem Labied, Hannah le Roux, Kenny Cupers, Ola Uduku, Giulia Scotto
14:30 – 16:00 Uhr – Künstler:innen-Roundtable mit M'barek Bouhchichi, Lungiswa Gqunta, Alexander Cyrus Poulikakos und dem Kurator Morad Montazami
Die Ausstellung ist eine Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Geschichte und Theorie des Städtebaus (gta), dem Institut für urbane Landschaft (IUL), der ZHAW School of Architecture, Design and Civil Engineering, MAMMA Memory of Modern Moroccan Architects und Zamân Books & Curating. Sie wird unterstützt von der Botschaft der Schweiz in Marokko, der Botschaft Marokkos in der Schweiz und dem Schweizerischen Roten Kreuz.
Nicht zuletzt ist das Gelingen der Ausstellung auch dem unermüdlichen Einsatz des Teams von gta Ausstellungen zu verdanken: Elena Bally, Melinda Bieri, Alix Bücher, Flora Bühlmann, Mina Hava, Jakob Darz, Ben Frei, Louis Fritsche, Ella Mathys, Ivana Milenković, Lauro Nächt, Till Kadler, Margaux Koch Goei, Daniel Sommer, Sabine Sarwa und Oli Wyss.
Grafik: Teo Schifferli mit Vivien Pöhls