Lessons from the Social Condensers: 101 Soviet Workers' Clubs and Spaces for Mass Assembly
11–19. Mai 2023
Buchpräsentation und Ausstellungseröffnung: 10. Mai, 18 Uhr
Runder Tisch mit Anna Bokov, Adam Caruso, Florian Dombois, Sonja Hildebrand, Luca Lanini, Sol Pérez Martínez und Philip Ursprung
Der von konstruktivistischen Architekten der Sowjetunion in den 1920er Jahren geprägte Begriff des «sozialen Kondensators» steht für die Überzeugung, dass Architektur nicht nur individuelles Verhalten formen, sondern die Gesellschaft als Ganzes reformieren kann. Die gemäss diesen Vorstellungen als öffentliche Versammlungsstätten konzipierten Gebäude und Projekte gehören zu den frühesten radikalen Architekturexperimenten der modernen Bewegung. Trotz ihres unbestreitbaren Einflusses auf die kanonisierte Geschichte der Moderne gibt es bisher nur wenig Erkenntnisse zu diesem beachtlichen architektonischen Erbe.
Die vorgestellten 101 Fallstudien zeigen die grosse Spannbreite der frühen sowjetischen Kondensatoren – von Installationen der Agitation über Arbeiterklubs und Kulturpaläste bis hin zu Massentheatern. Es sind Präzedenzfälle, wie Architektur gesellschaftliches Zusammenwirken und zwischenmenschlichen Austausch aktivieren kann, aber auch abschreckende Beispiele für ihren Einsatz als Instrument der sozialen Kontrolle. Einst als revolutionär betrachtet, haben diese räumlichen Experimente zahlreiche innovative Design-Praktiken des Zusammenlebens beeinflusst und wurden in die Mainstream-Kultur aufgenommen, von Arbeitsumgebungen bis hin zu institutionellen Settings und öffentlichen Räumen.
Die Ausstellung präsentiert Material aus Anna Bokovs neu im gta Verlag erschienenem Buch. Sie verwendet das Medium der stengazeta (Wandzeitung), das auf ein populäres Format früher sowjetischer Massenmedien verweist, die zur Verbreitung von Informationen in den Arbeiterclubs und Kulturpalästen eingesetzt wurden. Die stengazeta war nicht nur das wichtigste Mittel der Kommunikation mit proletarischen Kollektiven durch Druckerzeugnisse, sondern war oft selbst ein Produkt von deren kollektiver Arbeit. Mit dem Wiedereinsatz dieses Mediums will die Ausstellung selbst soziale Kondensierung befördern, indem sie Publikum versammelt und es über das Material an den Wänden ins Gespräch bringt. Vor allem aber soll sie einen Raum für zivilen Dialog, wissenschaftliche Kritik und kreative Subversion eröffnen.
Den Auftakt hierzu bildet eine Gesprächsrunde, die sich mit dem unbestreitbaren Potential der Architektur bei der Gestaltung der Gesellschaft befasst und zugleich die Frage nach der Relevanz sozialer Kondensatoren für heute und morgen stellt.
Die Ausstellung ist kuratiert von Anna Bokov in Zusammenarbeit mit gta Ausstellungen.
Ausstellungsdesign von Teo Schifferli.
Das Projekt ist eine Zusammenarbeit von gta Ausstellungen und gta Verlag.