Discreet Violence. Architecture and the French War in Algeria
Donnerstag, 13. April 2017 bis Montag, 12. Juni 2017 - Eröffnung: Mittwoch, 12. April 2017, 18 Uhr, mit einer Einführung von Philip Ursprung, Tom Avermaete und Samia Henni
Ort: ETH Hönggerberg
Während der Algerischen Revolution (1954–1962) vollzogen die französischen Zivil- und Militärbehörden eine tiefgreifende Umstrukturierung der städtischen und ländlichen Gebiete Algeriens; dabei wurden die bebauten Bereiche der Umwelt radikal umgestaltet, rasch eine neue Infrastruktur eingesetzt sowie mit strategischer Zielsetzung neue Siedlungen gebaut, um Algerien unter der französischen Kolonialherrschaft zu belassen und die Interessen Frankreichs in diesem Land zu schützen.
Die Ausstellung zeigt nur einen Aspekt dieser territorialen Umgestaltungen: die Errichtung von militärisch kontrollierten Lagern (centres de regroupement) in den ländlichen Gebieten Algeriens. Diese Bereiche waren als Folge der Errichtung von verbotenen Zonen – free-fire zones – entstanden und führten zu ganz erheblichen Zwangsumsiedlungen der Bevölkerung Algeriens. Spezielle Militäreinheiten, die sogenannten Sections administratives spécialisées, überwachten die Evakuierung der verbotenen Zonen, die Umgruppierung der Bevölkerung Algeriens, die Errichtung von temporären und permanenten Lagern, die Umwandlung einer Anzahl von permanenten Lagern in Dörfer, und sie kontrollierten das tägliche Leben der algerischen Zivilbevölkerung. Das Ziel dieser Umgruppierung bestand darin, die Bevölkerung Algeriens vom Einfluss nationaler Befreiungskämpfer abzuschneiden und etwaige psychologische oder materielle Unterstützung zu unterbinden.
Auf der Grundlage von Fotografien des französischen Militärs und Filmen, die von den Propaganda-Teams des Service cinématographique des armées (SCA) produziert wurden, zeigt die Ausstellung Discreet Violence: Architecture and the French War in Algeria [Unauffällige Gewalt: Architektur und der Französische Krieg in Algerien] nur einzelne Aspekte der Evakuierung der Landbevölkerung Algeriens, des Bauprozesses der Lager und der Lebensumstände in den Lagern. Sie enthüllt die Methoden, mit denen das französische Kolonialregime nach einem Medienskandal im Jahr 1959 versuchte, die militärischen Zwecke der Lager umzudefinieren. Die Ausstellung offenbart die immanenten Beziehungen zwischen Architektur, militärischen Massnahmen, Kolonialpolitik und der geplanten Produktion und Verbeitung von Bild- und Filmmaterial. Heute wird das SCA als Établissement de communication et de production audiovisuelle de la défense (ECPAD) bezeichnet, und ist weiterhin in Kriegsgebieten aktiv, wo die französische Armee am Geschehen mit beteiligt ist.
Die Ausstellung entstand im Zusammenhang mit Dr. Samia Hennis Doktorarbeit Architecture of Counterrevolution: The French Army in Algeria, 1954–1962, die im September 2016 am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich bei den Professoren Tom Avermaete, Jean-Louis Cohen und Philip Ursprung verteidigt wurde. Ihre Dissertation wurde mit der ETH Medaille ausgezeichnet und wird im Herbst 2017 beim gta Verlag in Buchform erscheinen.
Die Ausstellung wurde von Dr. Samia Henni kuratiert und in Zusammenarbeit mit gta Ausstellungen realisiert.
Kontakt: henni@arch.ethz.ch
Vielen Dank an:
Tom Avermaete, Jean-Louis Cohen, Michel Cornaton, Nicolas Férard, Lucie Moriceau, Justine Pontier, Véronique Pontillon, Pascal Schwaighofer, Nadine Schütz, André Tavares, Philippe Touron, Philip Ursprung, Damien Vitry, Clément Willemin und Pierre Willemin.
Fotos: Martin Stollenwerk