Cabin Crew
31. März – 20. Mai 2022
gta Ausstellungen, ETH Zürich, Hönggerberg, HIL Foyer
Eine Ausstellung und Eventreihe von Querformat
Vernissage & Speed Dating am 30. März, 18 Uhr
Vortrag von Adam Nathaniel Furman am 6. April, 18:30
Vortrag von Jennifer Tyburczy am 13. April, 19 Uhr
Performance von Li Tavor am 27. April, 18:30
Vortrag von Torsten Lange am 4. Mai, 18:30
Performance von Nils Amadeus Lange am 11. Mai, 18:30
Vortrag von Jack Halberstam am 18. Mai, 18:30
In einem kürzlich geführten Skype-Gespräch zwischen Jaffer Kolb und Aaron Betsky, verkündete Letzterer – Autor der wegweisenden Publikation Queer Space: Architecture and Same-Sex Desire – das Ende des queeren Raums, wie er ihn zuvor selbst definiert hatte (1). So würden Cruising Spaces – Bars, Saunen, Parks, Nachtclubs – allmählich durch das flüchtige Netz virtueller Begegnungen ersetzt. Die Räume der ‘Andersartigkeit’, die früher eine Bühne für das Zusammentreffen von Identitäten geboten haben, seien nun nicht mehr notwendig, da gemäss Betsky Queerness für ein größeres Publikum attraktiv geworden ist.
Das ist so aber nicht ganz richtig. Auf Dating-Apps wie etwa Grindr haben virtuelle Begegnungen einen "bequemen Lifestyle-Konsum gefördert, der auf Modellen von junger, weisser, gesund aussehender Individualität und Eins-zu-Eins-Verkehr basiert"(2). Es handelt sich also um einen hochgradig normativen queeren Gegen-Raum. Ausserdem werden Cruising Spaces nach wie vor von den städtischen Behörden marginalisiert, aus Lehrplänen gestrichen und fallen primär durch ihre Abwesenheit im architekturgeschichtlichen und theoretischen Kanon auf. Der Diskurs über Cruising behält die Form einer gesonderten mündlich überlieferten Geschichte innerhalb queerer Gemeinschaften und erfordert die Entwicklung kontextspezifischer Untersuchungsinstrumente.
Cabin Crew ist somit der Beginn eines materiellen Archivs von Räumen und Fragmenten, die queere Kultur in der Stadt Zürich prägen. Es stellt den Versuch dar, neue Geschichten für potenzielle Crusing-Szenarien und -objekte innerhalb des Campus Hönggerberg und darüber hinaus zu fabulieren. Darüber hinaus sollen die ausgestellten Fragmente für Reibung auf dem Campus selbst sorgen und uns mit dem Störungspotenzial des Cruising konfrontieren. Wie José Esteban Muñoz erklärt, ist "Queerness eine Idealität" (3). Es ist der Akt, immer in Richtung einer neu imaginierten Zukunft zu blicken; die Ablehnung der Gegenwart zugunsten der Potenzialität oder konkreten Möglichkeit einer anderen Welt. Cabin Crew ist also keineswegs ein vollständiges Archiv, und es ist auch kein gänzlich queeres. Vielmehr verlangt es die Einbeziehung aller seiner Adressat:innen, um einen parallelen und alternativen Diskurs auf dem Campus zu etablieren. Queerness ist noch nicht da, und da physische queere Begegnungen im öffentlichen Raum immer weiter abgeschwächt werden, müssen andere Wege des Widerstands gefunden werden.
Dieses Projekt wurde von Juan Barcia Mas, Paul Grieguszies, Shen He, Helia Jamshidi, Nikola Nikolov, Jonas Odermatt, Linda Sjøqvist im Auftrag von Querformat, zusammen mit Fredi Fischli und Niels Olsen, und dem Team von gta Ausstellungen realisiert.
(1) Jaffer Kolb and Aaron Betsky, “The End of Queer Space?” Log 41 (2017), 85–88.
(2) Andrés Jaque, Superpowers of Scale (New York, NY: Columbia University Press, 2020).
(3) José Esteban Muñoz, Cruising Utopia: The Then and There of Queer Futurity, 10th anniversary ed. (New York, NY: NYU Press, 2019),1.
Grafik: Janic Fotsch
Fotos: Nelly Rodriguez