Performing Colonial Toxicity:
An Exhibition by Samia Henni
Mittwoch, 6. März 2024 bis Dienstag, 2. April 2024
Eröffnung: 5. März, 18 Uhr. Führung mit Samia Henni um 17:30 Uhr
ETH Zürich, Hönggerberg, Foyer
Mit Performing Colonial Toxicity zeigt gta Ausstellungen eine Ausstellung von Samia Henni, Gastprofessorin am Institut gta. Sie beleuchtet die zensierte Geschichte des französischen nuklearen Kolonialismus in der algerischen Sahara und unterstreicht die Dringlichkeit, sich mit dieser Geschichte und ihren ökologischen und soziopolitischen Auswirkungen auseinanderzusetzen. Produziert wurde sie von Framer Framed Amsterdam in Zusammenarbeit mit If I Can’t Dance, I Don‘t Want To Be Part Of Your Revolution, Amsterdam.
Zwischen 1960 und 1966 hat das französische Kolonialregime in der algerischen Sahara vier Atombomben und dreizehn unterirdische nukleare Bomben gezündet sowie weitere Nuklearexperimente durchgeführt, infolgedessen auch natürliche Ressourcen abgebaut wurden. Dieses geheime Atomwaffenprogramm fand während und nach der algerischen Revolution, dem Algerischen Unabhängigkeitskrieg (1954–1962) statt. Die damit einhergehende toxische Vergiftung der Sahara verbreitete die radioaktive Strahlung über Algerien, Nord-, Zentral- und Westafrika sowie den Mittelmeerraum (einschliesslich Südeuropa) und führte zu einer irreversiblen und bis heute anhaltenden Kontamination von lebenden Körpern, Zellen und Partikeln sowie der natürlichen und bebauten Umwelt. Da die Archive des französischen Atomprogramms auch nach mehr als fünfzig Jahren nach wie vor verschlossen sind, sind die historischen Details und die anhaltenden Auswirkungen weitgehend unbekannt geblieben.
Die Ausstellung Performing Colonial Toxicity präsentiert verfügbare, angebotene, herausgeschmuggelte und durchgesickerte Materialien aus diesen Archiven in einer umfassenden, multimedialen Installation. Aus diesen Materialien entsteht eine Reihe von audiovisuellen Assemblagen, die die räumlichen, atmosphärischen und geologischen Auswirkungen der französischen Atombomben in der Sahara, das koloniale Vokabular und das (Nach)leben der radioaktiven Trümmer und nuklearen Abfälle nachzeichnen. Architektonisch konzipiert, sind diese «Stationen», wie Henni sie nennt, dafür gedacht, begangen und erlebt zu werden. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, ihre eigenen Verbindungen zwischen dem, was in der Installation präsent ist, sowie dem, was darin fehlt, herzustellen.
Die dreiteilige Struktur des Projekts, die mit verschiedenen Methoden der Verräumlichung und Zirkulation verheimlichter Informationen experimentiert, stellt einen eindringlichen Aufruf zum Handeln dar, um die noch immer unter Verschluss gehaltenen Archive zu öffnen und die Stätten zu säubern/dekontaminieren: beides entscheidende Schritte, um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der kolonialen Toxizität aufzudecken. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines grösseren Forschungsprojekts, zu dem auch die frei zugängliche Datenbank The Testimony Translation Project sowie die Publikation Colonial Toxicity: Rehearsing French Radioactive Architecture and Landscape in the Sahara gehören. Diese Publikation versammelt auf fast sechshundert Seiten Material, das die gewaltsame Geschichte des französischen Atomwaffenprogramms in der algerischen Wüste dokumentiert. Das Buch, das die Architekturhistorikerin Samia Henni akribisch aus allen verfügbaren, angebotenen, herausgeschmuggelten und durchgesickerten Quellen zusammengetragen hat, ist ein Repositorium für alle, die sich mit der Geschichte von Atomwaffen beschäftigen und an der Schnittstelle von räumlicher, sozialer und ökologischer Gerechtigkeit sowie antikolonialen Archivierungspraktiken tätig sind.
Credits
Performing Colonial Toxicity ist eine Koproduktion von Framer Framed und If I Can’t Dance, I Don’t Want To Be Part Of Your Revolution. Das Projekt wurde von Pro Helvetia unterstützt.
Ein besonderer Dank gilt dem Observatoire des armements, Centre de documentation et de recherche sur la paix et les conflits, dem Établissement de communication et de production audiovisuelle de la Défense (ECPAD) sowie den Filmemachern Élisabeth Leuvrey und Larbi Benchiha mit Produzent Farid Rezkallah für die Verwendung von Bildern und Filmausschnitten in der Ausstellung, ebenso Prof. Dr. Roxanne Panchasi, Simon Fraser University, für ihre Unterstützung bei der Tamasheq-Französisch-Übersetzung algerischer Zeugnisse.
Die Ausstellung ist Teil des zweijährigen Forschungsprojekts «Performing Colonial Toxicity», das von If I Can’t Dance, I Don’t Want To Be Part Of Your Revolution im Rahmen von Edition IX – Bodies and Technologies (2022–2023) in Auftrag gegeben wurde. If I Can’t Dance wird finanziell unterstützt vom Mondriaan Fund, Amsterdam fonds voor de kunst, von Ammodo und dem Prins Bernhard Cultuurfonds.
Dank
Für ihre Unterstützung des Projekts möchte Samia Henni ihren aufrichtigsten Dank aussprechen, allen voran Patrice Bouveret und den Kooperationspartnern des Observatoire des armements Larbi Benchiha, Bruno Hadjih, Elisabeth Leuvrey und Farid Rezkallah sowie Fredi Fischli, Niels Olsen, Mina Hava, Elena Geser, Margaux Koch Goei, Nora Hochuli, Noé Lafranchi, Lauro Nächt, Olin Petzold, dem Team von gta Ausstellungen; Frédérique Bergholtz, Megan Hoetger, dem erweiterten Team von If I Can’t Dance; Cas Bool, Ashley Maum, Jean Medina, Josien Pieterse und Stefan Wharton, dem erweiterten Team von Framer Framed, sowie der Pro Helvetia.
Ein herzliches Dankeschön geht auch an die Interviewpartnerinnen und -partner, die grosszügig ihre Expertise und Erfahrung geteilt haben, darunter Larbi Benchiha, Patrice Bouveret, Roland Desbordes, Bruno Hadjih, Gabrielle Hecht, Penelope Harvey, Jill Jarvis und Roxanne Panchasi, sowie an die an den Übersetzungen Beteiligten, die ihre Zeit der Übertragung von Hennis Auswahl an Zeugnissen gewidmet haben, darunter Raoul Audouin, Adel Ben Bella, Omar Berrada, Megan Brown, Séverine Chapelle, Simona Dvorák, Hanieh Fatouree, Alessandro Felicioli, Anik Fournier, Jill Jarvis, Augustin Jomier, Timothy Scott Johnson, Anna Jayne Kimmel, Corentin Lécine, Natasha Llorens, Miriam Matthiesen, Martine Neddam, M’hamed Oualdi, Roxanne Panchasi und Alice Rougeaux.
Und schliesslich richtet sich ein grosser Dank an Marley Jaeda Barnes, Amina Belghiti, Samuel Fuchs, Floriane Germain, François Girard-Meunier, Maxime Groslambert, Pamela Hampton Hunsinger, Megan Gail Mueller, Caroline Ann O’Donnell, Roxanne Panchasi, Georg Rutishauser, Sabine Sarwa, Pascal Schwaighofer, Philip Ursprung, Oliver Wyss, Meejin Yoon und all diejenigen, die im Laufe der Jahre zur Entwicklung dieser Forschung beigetragen haben und auf Wunsch anonym bleiben.
Fotos: Nelly Rodriguez